Parentifizierung zum Muttertag
Ich war die Mutter meiner Mutter. Wir sollten über Parentifizierung reden!
Ich war 12 Jahre als ich kognitiv verstand, dass etwas nicht stimmte. Das waren bereits 12 Jahre in einer emotionslosen und ungebundenen Beziehung mit meiner Mutter. Ich war nicht der Junge, den sich meine Mutter nach der ersten Tochter gewünscht hatte. Ich fühlte ab dem ersten Moment jede körperliche und emotionale Ablehnung. Getrieben von meinem natürlichen Bedürfnis tat ich alles für ein Fünkchen Geborgenheit.
Ich verstand in früher Kindheit, dass ich mit Hilfe und Beistand für meine Mutter so etwas wie Zuneigung von ihr erfahren kann. Meine Mutter konditionierte mich mit ihrer Erziehung so, dass ich alles, wirklich alles, für ihre Liebe tat und lernte schnell, dass ich für ihre Ablehnung selbst schuld war.
Ich tröstete meine Mutter, wenn sie erschöpft und depressives war.
Ich hörte ihr zu, als sie mir ihre Kindheitstraumata erzählte.
Ich plante Familieneinkauf und Budgeteinteilung.
Als Jugendliche verdiente ich Geld im Dorfladen und beim Babysitten, mit dem Geld zahlte ich Betreibungen.
Ich übernahm Teil-Erziehung meiner jüngeren Schwester, «we du nid folgisch chunt d Erika» sagte meine Mutter.
Ich hatte heftige Streitereien mit meinem Vater, stellvertretend für meine Mutter
Ich war viele Jahre ihre «Ehe-Beraterin» und wurde zum Spielball zwischen meinen Eltern.
Wenn ich mich den Erwartungen widersetzte, erfuhr ich tagelanger Liebes-Entzug. In meinen Bedürfnissen nach Schutz wurde ich abgelehnt und der Selbstverantwortung beschuldigt. Meinen sexuellen Missbrauch habe ich ihr erst vor ein paar Monaten erzählt.
Es dauerte viele Jahre und zahlreiche Therapiestunden systemische Biographiearbeit, bis ich verstand, dass ich für das Verhalten und die Ablehnung meiner Mutter nicht verantwortlich bin.
Ich bin Kind einer Mutter mit emotionalem Defizit und autistischem Verhalten.
Am Muttertag besuche ich meine Mutter zum Mittagessen und Spielnachmittag. Sie erzählt und ich höre zu, es triggert mich nicht mehr, wenn sie meinen Erzählungen nicht folgt. Ich habe mich selbstbestimmt für die Beziehung zu meiner Mutter entschieden.
Ich habe ihr Verhalten verstanden, was keine Entschuldigung ist, mich aber in die Selbstheilung führte.
11.05.2025